Im Namen der ÖVP-Delegation des Europäischen Parlaments darf ich mich bei Ihnen für Ihre E-Mail bedanken. Als Mitglied des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, in dem die Novellierung der Waffenrichtlinie behandelt wird, darf ich Ihr Anliegen beantworten.
Ich kann verstehen, dass der Kommissionsvorschlag zur Novellierung der Waffenrichtlinie sehr kontrovers wahrgenommen worden ist. Die Waffenrichtlinie selbst existiert bereits seit 1991 und wurde 2008 erstmals novelliert. Sie stellt auch die Grundlage für das österreichische Waffengesetz von 1996 dar, das von 2000 bis 2015 mehrfach in Österreich adaptiert worden ist.
Was ist nun der Stand der Dinge? Die Kommission selber hat diesen Vorschlag zur Novellierung der Waffenrichtlinie im November 2015 veröffentlicht. Eine Überarbeitung dieser Richtlinie war bereits im April 2015 vorgesehen, d.h. zuvor und nicht in Zusammenhang mit den schrecklichen Terrorattentaten in Europa stehend.
Unser Ausschuss im Europäischen Parlament, der sich mit der Waffenrichtlinie befasst, war mit dem ersten Entwurf des Kommissionsvorschlags zur Novellierung der Waffenrichtlinie nicht zufrieden und hat diesen dementsprechend maßgeblich modifiziert, damit Waffenbesitzer, Jäger, Sportschützen und Waffensammler weiterhin Zugang zu ihren legal erworbenen Waffen haben können. Es sind uns alle bekannten österreichischen Forderungen aus verschiedenen Verbänden in die Abänderungsanträge eingeflossen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag, der zu berechtigten Sorgen bei Waffenbesitzern, Jägern, Sportschützen und Waffensammlern geführt hat, ist somit in dieser Form vom Tisch.
Ich möchte nun auf die Punkte, die Sie in Ihrer E-Mail angesprochen haben eingehen.
· Halbautomatische zivile Feuerwaffen wären unter dem Kommissionsvorschlag als Waffen der Kategorie A eingestuft worden, was in der Tat für Jäger und Sportschützen zu Problemen geführt hätte. Der Vorschlag der Kommission sah vor halbautomatische zivile Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen, zu verbieten. Dieses etwaige Verbot ist durch die Intervention des Europäischen Parlaments nun abgehackt.
· Es stimmt, dass über höhere Kapazitätsgrenzen weiter diskutiert wird. Hier ist die derzeitige Ausformulierung, dass halbautomatische Feuerwaffen, die über eine Munitionskapazität von über 21 Schuss verfügen und somit in Kategorie A fallen würden, nicht ideal gewählt. Dies ist einer der derzeitigen Hauptdiskussionspunkte, an denen wir arbeiten.
· Eine Waffenversicherung ist in der Waffenrichtlinie nicht vorgesehen und wird somit Waffenbesitzer und Waffensammler nicht unnötig belasten.
· Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sah eine Begrenzung der Feuerwaffengenehmigung auf 5 Jahre vor. Genau diesen Vorschlag haben wir in dieser Form abgelehnt und stattdessen vorgeschlagen, dass die Waffengenehmigung weiter aktuell bleiben kann, sofern Mitgliedsstaaten ein System der kontinuierlichen Überwachung einführen. Für Österreich ändert sich durch diese Bestimmung nichts, da bereits zum jetzigen Zeitpunkt spätestens alle fünf Jahre die zuständige Genehmigungsbehörde eine Überprüfung der Verlässlichkeit durchführt.
· Die derzeitige vom Europäischen Parlament favorisierte Fassung sieht keine getrennte Verwahrung von Waffen und Munition per se vor. Der Parlamentsentwurf bestimmt, dass die Behörden nationaler Mitgliedsstaaten Bestimmungen für die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Feuerwaffen und Munition festlegen. Das Ziel ist hier den unbefugten Zugriff auf Feuerwaffen und Munition zu minimieren und für Unbefugte nicht leicht zusammen zugänglich zu machen. Die Umsetzung hier obliegt den Mitgliedsstaaten und muss auch demnach mit dem Bedarfsnachweis nur im aller äußerten Fall anzuwendenden Selbstverteidigung einhergehen.
· Der Kommissionsvorschlag oder die derzeit in Diskussion stehende überarbeitete Version des Europäischen Parlaments sehen keine Zwangsmitgliedschaft in Schützenvereinen vor. Bereits die erste Waffenrichtlinie von 1991 erwähnt in Artikel 3, dass der „Besitz von Feuerwaffen der Kategorie B nur Personen, die dafür eine Rechtfertigung anführen können“ gestattet wird. Nun diente bereits die erste Version der Waffenrichtlinie als Grundlage für das österreichische Waffengesetz und sieht in der österreichischen Gesetzgebung keine obligatorische Mitgliedschaft in einem Schützenberein vor. In der derzeitigen Vorschlagsversion des Europäischen Parlaments werden im Erwägungsgrund 7a explizit als Beispiele benannte Möglichkeiten für eine solche Rechtfertigung bzw. einen guten Grund zum Erwerb und Besitz von Feuerwaffen genannt. Es handelt sich aber hierbei wirklich explizit um Beispiele. Demnach sah weder die vergangene Waffenrichtlinie noch die derzeit in Diskussion stehende Überarbeitung jemals eine Zwangsmitgliedschaft in Schützenvereinen vor. Das beruht ausschließlich auf nationalstaatlicher Gesetzgebung.
Sie erwähnten in Ihrer E-Mail ganz richtig den Umstand, dass in Zusammenhang mit Terrorattentaten verbotene und illegale Waffen zum Einsatz gekommen sind. An diesem Punkt möchte ich gerne ansetzen, denn die Überarbeitung der Waffenrichtlinie soll auch einen Beitrag zur Sicherheit leisten, indem die Deaktivierung von Feuerwaffen sichergestellt werden soll und Schreckschuss-, Signal- und Signalwaffen, akustische Waffen sowie Waffennachbauten nicht in Waffen umgebaut werden können sollen.
Ich möchte Sie gerne auf einen Evaluationsbericht zur Waffenrichtlinie aufmerksam machen, der die Problematik des Umbaus von Gas-Alarmwaffen sowie die Reaktivierung von Feuerwaffen thematisiert und dies mit polizeilichen Erkenntnissen dokumentiert. Sie können den Bericht in PDF-Form online in englischer Sprache aufrufen:
https://www.sipri.org/sites/default/fil ... inal-1.pdf. Auf den Seiten 44 bis 49 wird dieses Problem ausführlich thematisiert. In Österreich sind solche Fälle nicht bekannt. In 16 anderen EU-Mitgliedsstaaten sind derartige Fälle dokumentiert worden. Die Überarbeitung der Richtlinie soll somit sicherstellen, dass sämtliche relevante Informationen zu Feuerwaffen und essenziellen Einzelteilen gesammelt werden, was den staatlichen Behörden eine Nachverfolgung von Feuerwaffen und Einzelteilen ermöglichen und in Kombination mit den neuen Bestimmungen zur Deaktivierung von Feuerwaffen einen Umbau deutlich erschweren soll. In der Hinsicht trägt die Überarbeitung der Waffenrichtlinien zu einem Mehrwert bei, ohne dabei das österreichische Waffengesetz für legale Waffenbesitzer zu verschärfen.
Wie geht es nun weiter? Nachdem der Rat am 10. Juni seine Position festgelegt hat und am 13. Juli der Ausschuss im Parlament über seine Abänderungsanträge abgestimmt hat, hat sich der Parlamentsausschuss am 5. September dazu bereit erklärt direkt in Trigloverhandlungen mit dem Rat und der Kommission zu treten. Die Verhandlungen finden auf Grundlage der Abänderungsanträge des Rats und des IMCO-Ausschusses des Parlaments statt. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag in seiner restriktiven Form ist vom Tisch. Die Ratsposition ist restriktiver als jene des Europäischen Parlaments. Die österreichische Bundesregierung, vertreten durch das Bundesinnenministerium, verfolgt eine ähnliche Linie, wie die Abänderungsanträge des Europäischen Parlaments. Das österreichische Waffengesetz in seiner derzeitigen Form ist ausreichend. Das Ziel der Richtlinienüberarbeitung muss in der Sicherstellung einer effektiven Deaktivierung von Feuerwaffen und einem Nicht-Umbau von Alarmwaffen sowie eines besseren Informationsaustauschsystems zwischen den Mitgliedsstaaten liegen.
Die ersten Trilogverhandlungen fanden am 27. und 30. September statt. Hier ist die Kategorisierung von halbautomatischen Feuerwaffen und der Munitionskapazität unter anderem ein Thema.
Es war der Fraktion der Europäischen Volkspartei ein sehr großes Anliegen die Sorgen sowie die inhaltlich wertvollen Rückmeldungen von Bürgern, die an uns herangetreten worden sind, ernst zu nehmen und in einer Form in den Kommissionsvorschlag einfließen zu lassen, so dass gesetzestreue Bürger auf keinen Fall nachteilig von der Novellierung der Waffenrichtlinie betroffen sein werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen behilflich sein konnte und würde mich freuen, mit Ihnen weiterhin in Kontakt zu bleiben.
Mit den besten Grüßen,
Othmar Karas