Zu einem anderen Ärger-Thema: Der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Nils Melzer, hat ein Buch über den Fall des Wikileaks-Gründers Julian Assange verfasst:
https://www.derstandard.at/story/200012 ... verbrechen
Ein Hammer, was in "unserer freien westlichen Welt" möglich ist, wenn es gegen jemanden geht, der den Mächtigen im Weg steht. Die Art und Weise, wie eine unbequeme Person fertig gemacht werden kann, hat sogar mich als Staatsskeptiker überrascht:
In Erinnerung ist in diesem Zusammenhang vielleicht einigen aufmerksameren Beobachtern des Geschehens noch ein Text des UN-Sonderbeauftragten, den er bereits im Juni 2019 ins Internet stellte. Die erschütternde Begründung dafür war erst am Ende des Eintrags zu lesen: Er hatte den Artikel, der von den schweren Menschenrechtsverletzungen, systematischer Folter und rechtswidrigen Intrigen im Fall Assange berichtet, einer ganzen Reihe von renommierten internationalen Leitmedien angeboten. Aber sie alle ohne Ausnahme hatten die Veröffentlichung schlichtweg abgelehnt. Offenkundig wollte sich niemand die Finger daran verbrennen. Die Publikation in einer Blognische war nichts anderes als ein Akt der Verzweiflung gewesen.
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Ab und zu redet man auch wieder vom Collateral-Murder-Video, von ungeahndeten amerikanischen Kriegsverbrechen, von Gräueltaten der US-Armee in Afghanistan. Von Vorfällen, die ohne die unermüdliche Arbeit des UN-Sonderbeauftragten möglicherweise gar kein Thema mehr wären.
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Die herkömmlichen Wege funktionieren einfach nicht. Jene Wege, die ihm kraft seines diplomatischen Amtes zugänglich sind und die eigentlich funktionieren sollten, wenn alles mit rechten Dingen zugehen würde — das heißt, wenn das rechtstaatliche System der westlichen Demokratien so arbeiten würde, wie es das in der Theorie eigentlich tun sollte.
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Systematisch wurde und wird der Schweizer immer noch abgeblockt, wenn er versucht, das Augenmerk auf den Fall Assange zu lenken. Ein besonders pikantes Beispiel, das er erzählt: Er gibt der BBC ein Interview. Das geht zwar live auf Sendung, danach aber wird es sofort vom Netz genommen, keine Spur mehr ist davon auffindbar. Ein ungewöhnlicher Vorgang. Als er sich deswegen an die Verantwortlichen wendet, wird er mit Floskeln unsinnigen Inhalts abgespeist. Tatsächlich, so muss er annehmen, war es dem alteingesessenen britischen Sender wohl zu heikel, ein Video zu verbreiten, in dem ein UN-Sonderberichterstatter höchstpersönlich England systematische schwere Verbrechen gegen die Menschenrechte, ja, Folter vorwirft und die Unabhängigkeit der dortigen Justiz in Frage stellt.
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Kein Wunder, dass Melzer darin auch von einer persönlichen Krise spricht. Von einer Krise, in die er geriet, als er feststellen musste, dass die Instrumentarien zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit nicht so funktionieren, wie sie funktionieren sollten, und dass man sogar den Staaten des Westens plötzlich nicht mehr trauen kann, dass man auch hier nicht vor Akten vollkommener, absurder Willkür gefeit ist.
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Und es geht dabei bei weitem nicht bloß um das Collateral-Murder-Video, das in diesem Zusammenhang immer erwähnt wird. Melzer weist in seinem Buch eigens darauf hin, dass Aussagen von Veteranen zufolge solche von US-Soldaten willkürlich verübten Massaker keineswegs eine Ausnahme darstellten, sondern an der Tagesordnung waren. Von einem Einzelfall kann demnach keine Rede sein. Wikileaks aber hat auf einmal genau diesen brutalen Kriegsalltag an die westliche Öffentlichkeit gebracht. Erstmals bekamen wir ein halbwegs realistisches Bild von dem, was da in diesen fernen Ländern wirklich alles passierte.
Und genau das durfte nicht geschehen. Wir hatten von Dingen erfahren, von denen wir niemals etwas erfahren hätten sollen. Es ist auch alles andere als ein Zufall, dass es zum Vergewaltigungsvorwurf gegen Assange gerade zu dem Zeitpunkt kam, als Wikileaks soeben in Zusammenarbeit mit großen Medienhäusern das "Afghan War Diary" publiziert hatte und noch weitere Veröffentlichungen vorbereitete. Melzer legt in seinem Buch dar, wie das Handeln der schwedischen Behörden eine Reaktion auf genau diese Situation war.
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Auch an dieser Stelle muss man einmal mehr auf die Mitverantwortung der Medien hinweisen. Die Presse war gut darin, das ihr von den schwedischen Behörden — bei Verstoß gegen alle diesbezüglichen Vorschriften und noch bevor überhaupt irgendeine Anzeige vorlag — sofort zugespielte Vergewaltigungsnarrativ gierig aufzusaugen und in Windeseile um den ganzen Erdball zu verbreiten.
Keiner dieser Reporter aber hat sich offenbar die Mühe genommen, zu recherchieren, was eigentlich die Grundlage dieser Meldungen war. Allein, dass nach vielen Jahren ein UN-Sonderbeauftragter offenbar der Erste war, der sich die Akten überhaupt ansah und ihren Inhalt überprüfte, ist schon ein Skandal für sich und ein Armutszeugnis für den Journalismus.
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Zu den zeitgemäßen Foltermethoden — die durchaus auch in westlichen Demokratien angewandt werden — zählen etwa die vollkommene Isolierung einer Person, die völlige Einengung ihres Lebensraumes, alle möglichen Strategien der Verächtlichmachung und der Herabsetzung, das Installieren eines fortwährendes Bedrohungsszenarios sowie die Herstellung von Situationen vollkommenen Ausgeliefertseins und der Wehrlosigkeit. Schließlich, und davon machten die Ecuadorianer ausgiebigen Gebrauch, ein tyrannisches System aus Vorschriften, das immer engmaschiger gestrickt und endlich in sich so widersprüchlich wurde, dass es dem Australier gar nicht mehr möglich war, sich daran zu halten. Was er auch tat, war falsch, wurde ihm vorgeworfen.
Da wurden gleich mehrere "Verschwörungstheorien" auf einmal bestätigt.
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"Der einzige Ausweg aus der Krise führt über Kapitalismus, Ersparnisse und harte Arbeit."
Javier Milei