tousibaer hat geschrieben: ↑Mo 22. Jan 2024, 13:53
Wäre geschrieben worden (fettgedruckte Ergänzung von mir) hätte ich es wohl schneller verstanden.
"Es bleibt dabei: Wohlstand entsteht ausschließlich durch Sparen und Konsumverzicht, um die dadurch freigewordenen Mittel für gewinnbringende Investitionen zu verwenden. Die ständig wiederkehrende Behauptung, man könne durch Erhöhung des Konsums auf Kredit den Wohlstand erhöhen, ist pure Schwurbelei und erinnert an kindische Schlaraffenland-Phantasien."
Auch mit der Ergänzung bleibt der Satz fragwürdig. Denn prinzipiell ist "Konsum" als Verbrauch von Ressourcen definiert. Im privaten Bereich ist ein Sessel ein Konsumobjekt, im Unternehmen eine Investition/Anlagegut. Kauft ein Unternehmen einen Sessel, um darauf einen produktiven Mitarbeiter zu setzen, erwartet das Unternehmen eine Rendite aus dem Sesselkauf und wenn diese Rendite höher liegt als die Zinsbelastung, sind aufgenommene Schulden zu rechtfertigen und somit ist in diesem Fall schon der "Konsum auf Schulden" sinnvoll. Was offen bleibt, sind Verwerfungen gegenüber der Ertragserwartung -- dann stehen die Schuldan halt länger in den Büchern und die nächste Anschaffung erfolgt später, prinzipiell wird der Sessel ja kaum weniger.
Im privaten Bereich ist der Sessel als Konsum definiert -- aber was macht man ohne Sessel? Auf dem Boden sitzen, Schmerzen (und somit sinkende Renditeerwartungen aus gesunkener Leistungsfähigkeit) in kauf nehmen? Also muss auch der Private "Investitionen" tätigen, die so jedoch nicht erfasst werden. Der Sessel als Konsumobjekt hat also im privaten Sektor zwar die Bedeutung des Anlageguts, wird aber als Konsumausgabe bezeichnet, weil sich die Ausgabe steuerlich nicht auswirkt und keine Abschreibungen die Steuerlast in der Zukunft kürzen.
Wenn der Wohlstand (gesundheitliches und psychisches Wohlbefinden, Sicherheit der Lebensplanung) nach unten geht, wenn man vernünftige Anschaffungen unterdrückt, bis die nötige Summe angespart wurde, ist der einleitende Satz bereits widerlegt.
Der Blick auf die Privaten, die sich ein Haus bauen, als anderes Beispiel. Niemand braucht ein Haus, Häuser sind also ganz grundsätzlich Konsumobjekte und praktisch von niemandem auf Sparvermögen zu finanzieren. Wenn man den Faktor Zeit, den der Kollege (un-)bewusst (?) vernachlässigt, bewertet, kann man ganz einfach rechnen, was einem der Hausbau im Vergleich zu einer Miete "bringt". Geht die Rechnung mit einem Plus unter dem Strich auf, lohnen sich die Schulden, die man für den Hauskauf aufnimmt.
Die dritte Ebene der Betrachtung ist die volkswirtschaftliche und dabei vor allem die Betrachtung der Mehrwertsteuer. Einkommenssteuern sind, wie die Beispiele der "steuerschonenden Konzerne" zeigen, keine zuverlässige Einkommensquelle für den Staat, sehr wohl aber die Mehrwertsteuer. Was immer in Österreich gekauft wird, löst unmittelbar eine "Konsumabgabe" von 1/5 des ausgegebenen Betrags aus. Es gibt irgendwo die Berechnung, dass die bei einem Kauf abgeführte Mehrwertsteuer für den Staat sechsfach rentabel ist -- ich hab's nimmer im Kopf, das Studium liegt doch ein paar Jahrzehnte zurück. Wie auch immer, die Idee daraus ist sehr einfach: Beschleunigt der Staat (z.B. durch Zinspolitik, Ausgabenpolitik, …) den privaten Konsum, vereinnahmt er 1/5 dieses Volumens und versechsfacht die Steuereinnahme in weiterer Folge (weil der Staat das Geld ja wieder ausgibt, somit neue Mehrwertsteuereinnahmen entstehen, etc.).
Somit nähert sich jeder Staat, der sich nicht durch Zölle und nationale Regelungen vor Raubtierkapitalismus schützen kann, automatisch eine "Just-in-time-taxation" durch Konsumsteuern an und besitzt ein "natürliches Interesse", das Geld dort zu holen, wo es am Leichtesten geht: bei den Privaten.
Wobei wir bei den Unternehmen wären: Die bezahlen praktisch keine Konsumsteuern, solange es sich um steuerrechtliche Betriebsausgaben handelt. Aber sie bezahlen einen guten Teil der lohnabhängigen Abgaben (zumindest am Papier, der tatsächliche Schuldner ist ja immer der Private/Arbeitnehmer) und einiges an lohnabhängigen Abgaben (z.B. Kommunalsteuer). Das sind alles Abgaben aus dem laufenden Betrieb und kaum geht ein Unternehmen "gut genug" werden die ertragsabhängigen Steuern minimiert.
Das Wesen der Abschreibung steht dieser Optimierung im Weg und daher hat ein Unternehmen einerseits kein Interesse an hohen Erträgen, weil davon Steuern abzuführen wären, die in der Folge die Investitionsmöglichkeiten beschränken, andererseits hat das Unternehmen auch kein Interesse an "Investitionen", weil diese nicht sofort, sondern nur über die Zeit abgeschrieben werden können. Somit entstehen in allen Abschreibungsjahren höhere steuerliche Belastungen, was also betriebswirtschaftlich doppelt unsinnig ist.
Beispiel?
Ein Unternehmen plant, einen neue Fertigungsstraße um 1 Mio. Euro zu errichten. Das Unternehmen erwirtschaftet jährlich einen Gewinn von 1 Mio. Euro.
Erlöst das (Personen-) Unternehmen 1 Mio. pro Jahr, bezahlt es (rund) 500 000,- an Ertragssteuer.
Errichtet des Unternehmen die Anlage um 1 Mio., so verkürzt diese Aufwendung für die Abschreibungsdauer (nehmen wir 10 Jahre an) die Steuerbemessungsgrundlage im 1/10 des Betrags, also 100 000 Euro. Die Steuerlast des Unternehmens sinkt damit um (rund) 50 000,- von 500 000 auf 450 000. Die Liquidität ist aber durch die Anschaffung um 1 Mio. gesunken. Nach zehn Jahren hat die Anlage Schrottwert (der bei Verkauf auch zu versteuern ist). Die Erlöse waren 10x 1 Mio., die Steuerlast war 10x um 50 000,- reduziert, also 500 000,-
Es verbleiben für das Unternehmen Kosten von 500 000,- für die Anlage (1 Mio. Anschaffungswert - 500 000,- gesparte Steuern).
Wenn man das aus dem eigenen Vermögen ("wie ein Privater") finanzieren möchte, sollte man doch vorher nachdenken:
Mietkauf / Leasing ist das Zauberwort. Aus obiger Rechnung wissen wir, dass uns die Anlage unter'm Strich 500 000,- gekostet hat. Leasen wir die Anlage, gehen alle Leasing-Ausgaben direkt in die Steuerbemessungsgrundlage ein, der steuerliche Erlös sinkt, die Steuer damit ebenfalls. Da der Leasinggeber auch einen Gewinn machen will, soll die Anlage um 1 Mio. mit 10% Rendite-Erwartung p.a. abgerechnet werden. Weil 10% Zinsen über 10 Jahre eine Verdoppelung des Kapitals bedeuten, kostet die Anlage über die gesamte Laufzeit das Doppelte des Anschaffungspreises, also 2 Mio. Das dividieren wir durch 10 Jahre, also 200 000 pro Jahr an Leasingraten.
Langfristig erzielen wir weiterhin 1 Mio. pro Jahr, ziehen davon die Leasingrate mit 200k ab, haben eine Steuerbemessung von 800 000 und somit eine jährliche Steuerlast von nur noch (rund) 400 000. Da wird dem Staat 10x 50 000 weniger abführen, machen wir mit der (am Papier teureren) Leasingvariante um 500 000 mehr an verfügbarem Vermögen über zehn Jahre, als wenn wir unser eigenes Vermögen um 1 Mio. zur Finanzierung verkürzt hätten. Die sonstigen volkswirtschaftlichen Effekte (Anzahl der Mitarbeiter, …) bleiben unverändert, doch das Vermögen des Unternehmens, das die Anlage gemietet hat, hat sich (ohne höhere Umsatzerlöse!) erhöht.
Ja, jetzt kommt wieder einer, der meint, das Unternehmen habe die Anlage eben gemietet und sei keine Schulden eingegangen. Das geht in zwei Richtungen ins Leere: erstens haftet das Unternehmen dem Leasinggeber in vollem Umfang für die Vertragssumme, also 2 Mio. Weiters hat der Leasinggeber das Geld auch nicht im Vermögen, sondern benutzt z.B. Sparguthaben / Anlagegelder, um die Anlage zu finanzieren, geht also seinerseits ebenfalls Schulden ein. Davon macht der Leasinggeber aber über 10 Jahre 1 Mio. Profit, die teilweise an die Anleger als Kapitalaausschüttung und teilweise an die Mitarbeiter und Infrastrukturkosten fließen. Also hat sich volkswirtschaftlich auch hier, obwohl Schulden gemacht wurden, der Wohlstand erhöht.
Ein alter Spruch aus meinen Tagen in der Alma Mater: Komplexe Probleme benötigen komplexe Lösungen.
So einfach, wie sich das manche vorstellen, ist Wirtschaft im Gesamten nicht. Individuell kann man sagen: Wenn sich Mehraufwand (aufgrund von Zinsbelastung) bei einer Anschaffung erlössteigernd auswirkt, ist er gerechtfertigt. Wie man "Konsum" definieren muss, bleibt dabei weiterhin offen -- dazu ein letzter Ansatz der sinngemäß für z.B. einen Mitarbeiter beim Anlagenerrichter in unserem Beispiel dienen kann:
Nehmen wir Alfons G., der als Montagearbeiter sein Geld verdient. Alfons verdient ordentlich, aber je nach Projektstand eher unregelmäßig und manchmal dauert es ein paar Monate, bis er wieder ein Projekt bekommt und in dieser Zeit muss Alfons vom Ersparten leben, weil das Fixum eher schmal ist. Nun begibt es sich, dass Alfons sich eine PV auf's Dach schraubt und kurz darauf das Auto durch einen Motorschaden wertlos wird. Alfons kauft sich aus dem Ersparten das neue Auto und macht damit sein Konto flach. Zu allem Überfluss muss Alfons dann wegen der Rezession zwei Monate länger auf den nächsten Job warten.
Frage: Soll Alfons Schulden machen, um sich weiterhin zu ernähren, oder soll er den Hungertod in kauf nehmen, weil Konsum auf Pump seinen Wohlstand gefährdet?
PS.: Das ist keine Diplomarbeit, nur eine ein grober Abriss von Zusammenhängen, fehlerbehaftet und nicht bis auf's Komma durchgerechnet. Also bitte ersparen wir uns Haarspaltereien, es ist das Wesen einer "Illustration", Ungenauigkeiten zugunsten der Verständlichkeit einzugehen.