Danke
waldemar hat geschrieben:@ titan: Das war ein sehr interessanter Post! Genau wegen sowas bin ich ein Fan des Forums!
titan hat geschrieben:Um das Moment durch das Gasgestänge auf den Lauf zu mindern hat man verschiedene Möglichkeiten. Gasrohr und Laufachse so nahe wie möglich zusammenbringen (Voere 2185), Gasrückführung ala Ljungman/ar15 oder aber dem Gasgestänge nicht die Möglichkeit geben ein Moment zu erzeugen, so geschehen beim Sig.
Wie steht in diesem Vergleich ein Short Stroke System wie beim AUG da?
Das Ziel ist immer, den Lauf in möglichst wenig Schwingung zu versetzen oder eben diesen so zu lagern, dass er sein Schwingungsverhalten ändert. Das short stroke system unterscheidet sich zum long stroke system dadurch, dass es nur einen kurzen Impuls auf den Verschlussträger gibt. Der Gaskolben bewegt dich unabhängig vom Verschluss.
Beim long stroke system ist der Gaskolben mit dem Verschlussträger verbunden und bewegt sich zusammen mit diesem. Der Gaskolben verlässt dabei die Gasabnahme und muss wieder in diese eingeführt werden. Dies geschieht zweckmäßig durch ein Gasrohr. Das bedeutet aber mehr Masse.
Ansonsten sei noch gesagt, welches System am zweckmäßigsten ist hängt wohl vom Typ der Waffenkonfiguration ab und von der Geschmeidigkeit des Verschlussganges. Man kann diese Dinge nicht verallgemeinern. Manche machen bei der einen Konstruktion Sinn, bei einer anderen nicht, oder sie sind einfach eine Frage der Kosten. Beim Stg 77 bietet sich ein short stroke system einfach an weil das Gasgestänge gleichzeitig Verschlussführung ist.
Jedenfalls soll der Impulsgeber stark genug sein, um den Verschluss auch unter Verschmutzung zu öffnen, gleichmäßig arbeiten, Längendehnung nicht übertragen und Schwingungen nicht anregen (wie zb beim langen Gasgestänge des m1 Garand) Wie man aber beim Voere 2185 sieht, kann auch ein long stroke system präzise arbeiten. Im Visier Test wurde mit Fabrikmunition und Kaliber .300 Winchester Magnum Streukreise von
6cm auf 300 Meter realisiert!
Konstruieren ist wie man sieht ein feines Abwägen von "Zutaten". Manche Elemente schließen andere aus, haben Vorteile oder Nachteile. Manche Entwicklungen ergaben sich auch erst durch vorangehende Überlegungen zu einem anderen Entwurf, wurden verworfen um Jahre später von Jemand anders wieder aufgegriffen zu werden.
Ein gutes Beispiel bietet der Kippblockverchluss. Der tauchte als sich abstützende Variante schon im Browning 1918 auf, später im Praga Mg welches zum ZB26 und ZB30 weiterentwickelt wurde. Russland versuchte sich daran mit dem swt38 später swt40 und danach mit dem SKS, FN entwarf unter anderem 1939 das SAFN welches durch den Krieg erst ab 1949 und vielfach in Lizenz produziert wurde. Danach kam noch das FN Fal auf den Markt welches in der ganzen Welt verbreitung fand aber seine Wurzeln 1947 und bei der 7,92x33 hat. Schweden versuchte sich am Kippblockverschluss mit dem Ljungman Ag42 wovon wiederum das Hakim und Rashid abstammen. Deutschland entwarf die berühmte Mp44, wobei hier das Gehäuse erstmals aus Prägeblech bestand, aber wie man sieht sie funktioniert! Vor kurzem kam die Keltec rfb mit modifiziertem Kippblockverschluss und forward ejection auf den Markt.
Da der Kippblockverschluss zwar hervoragend funktioniert, mit Sand aber so seine Probleme zu haben scheint, weil dieser an den Stützflächen schwer verdrängt werden kann, verwendet man heute nur noch Drehkopfverschlüsse. Diese "schaufeln" oder "scheeren" sich Schmutz praktisch aus dem Weg während beim Kippblock die Schließbewegung gleichzeitig Schmutz ins Widerlager des Blocks schiebt.
Aber um nicht nur offtopic zu schreiben. Das G36 scheint definitiv ein Hitzeproblem zu haben. Wenn man genau schaut, der Lauf des G36 ist im Bereich des Patronenlagers kaneliert. um eben die Wärmeleitende (Leitung nicht Strahlung) Fläche des Laufes auf das in das Gehäuse eingelassene Metallelement zu english barrel trunnion zu halbieren. Laut HK Patent soll diese Kanelierung auch wie Kühlrippen funktionieren und der Verschlusskopf beim Schließen Luft "hindurchpumpen". Der Effekt ist ohne Zweifel vernachlässigbar. Austretendes Gas soll ebenfalls nach vorne in Richtung Handschutz entweichen.

Wie man unschwer erkennen kann ist die Laufaufnahme, Bauteil nr.14, lediglich in den Kunststoff eingelassen. Der Lauf wird über die Laufhaltemutter fixiert. Offensichtlich hat man die Verformungen bei heisgeschossener Waffe buchstäblich unterschätzt und mit dem Einsatz von Kunststoff einfach übertrieben. Eine vernünftige Lösung kommt wohl um den Einsatz von Metall im Upper nicht herum. In Afghanistan macht sich bei heißen Temperaturen das Phänomen wohl viel stärker bemerkbar als bei uns im kühlen Europa. Kunststoff hat zwar eine gute Wärmespeicherfähigkeit aber schlechte Wärmeleitfähigkeit, das heist der Kunststoff lässt die Wärme der erhitzten Laufaufnahme nicht gut nach außen durch. Verformung alleine wäre ja noch nicht so schlimm, würde die Zieleinrichtung mitwandern. Tut sie aber nicht, denn diese sitzt hinten am Gehäuse. Somit schießt das G36 zwangsläufig daneben. Beim Stg 77 ist der Lauf und die Zieleinrichtung im aretierten Zustand eine Einheit, obwohl sich diese auch elastisch im Schaft bewegen kann. Die hier auftretenden Kräfte sind jedoch geringer und geradliniger nach hinten in den Schaft. Weiters überträgt das Gehäuse kaum Wärme auf den Kunststoff aber vor allem kein Kippmoment durch das Gassystem.

Ich hoffe geholfen zu haben. Eine gute Zeichnung schafft Klarheit.