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Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

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burggraben
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Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von burggraben » Mi 30. Aug 2017, 23:15

Grundsätzliche Frage soweit es das Waffenrecht betrifft. Wenn es eine Entscheidung eines Landesverwaltungsgerichts gibt, hat diese Präzedenz-/Rechtsentwicklungscharakter? Anders formuliert, muss sich die vollziehende Behörde bei gleichem Sachverhalt an diese Entscheidungen halten? Ich sehe im Waffenrecht Runderlass ständig Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs zitiert, aber keine von Landesverwaltungsgerichten. Gibt es hier einen grundsätzlichen Unterschied?
Zuletzt geändert von burggraben am Do 31. Aug 2017, 14:30, insgesamt 2-mal geändert.

DD1
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Re: Rechtsentwicklung bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von DD1 » Do 31. Aug 2017, 13:05

Natürlich gibt es einen Unterschied, der VwGH ist quasi die übergeordnete Instanz. Dennoch können auch Entscheide der Verwaltungsgerichte Bindungswirkung und vor allem Praezedenzwirkung entfalten.


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Re: Rechtsentwicklung bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von burggraben » Do 31. Aug 2017, 13:55

Genau, der VwGH ist die zweite Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit und dieser Gerichtshof ist soweit ich das verstehe für Fälle aus ganz Österreich in zweiter Instanz zuständig. Landesverwaltungsgerichte sind aber immer nur für ein Bundesland zuständig. Entfaltet ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien eine Bindungswirkung / Präzedenzwirkung für zukünftige Fälle vor einen Salzburger Landesverwaltungsgericht und für Entscheidungen von Salzburger BHs?

Mit "Bindungswirkung" hast du mir ein gutes Schlüsselwort für Suchmaschinen gegeben - Danke! Da finden sich einiges an Literatur - leider meist in Zusammenhang mit dem VwGH aber nicht den Landesverwaltungsgerichten.

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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von burggraben » Do 31. Aug 2017, 14:53

Soweit ich mich als Laie jetzt einlesen konnte: Die Bindungswirkung trifft wohl nur den Einzelfall. Präzendenzfälle sind in unserem Rechtssystem generell weniger wichtig als im anlgo-amerikanischen und eher eine Auslegungshilfe bei gleichartigen neuen Fällen. Allerdings: in Deutschland haben laut Wikipedia Präzedenzfälle in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (und nur da) eine Sonderstellung und mehr Gewicht weil unterschiedliche Erkenntnisse dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen würden. Ob das bei uns in Österreich ebenso gillt, konnte mir Google noch nicht sagen.

Mich würde halt grundsätzlich interessieren ob positive Erkenntnisse von Landesverwaltungsgerichten etwas sind woran BHs sich orientieren müssen/sollen. Selten aber doch gibt es ja immer wieder mal Erkenntnisse die positiv für den legalen Waffenbesitz sind.

Praktisches Beispiel mit dem ersten was mir grad so einfällt: Einem Polizisten bei der Cobra wurde von einem Wiener Landesverwaltungsgericht ein WP zuerkannt weil er vom IS bedroht wird und außerdem wegen seinem Job besonders gut geschult ist im Umgang mit Waffen. Wenn wir jetzt mal ignorieren dass kurz danach die Politik den WP für alle Polizisten freigegeben hat, hätte nach diesem Urteil ein anderer Cobra Beamter zu seiner BH spazieren können und unter gleichen Umständen den WP verlangen können?

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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von Balistix » Do 31. Aug 2017, 15:02

Als Argumentation ja, Rechtsanspruch lässt sich daraus keiner ableiten.
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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von kingharald » Do 31. Aug 2017, 15:18

Landesverwaltungsgerichtsentscheidungen sind bindend für BH, auch für nachfolgende mit gleichen Anträgen.

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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von burggraben » Do 31. Aug 2017, 15:46

kingharald hat geschrieben:Landesverwaltungsgerichtsentscheidungen sind bindend für BH, auch für nachfolgende mit gleichen Anträgen.

Hast du da eine Quelle? Ich frag weil jetzt eben schon beides zu hören war in diesem Thread.

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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von Martin P » So 3. Sep 2017, 16:10

Schwierig, das in einfachen Worten zu beantworten.

Eine Bindungswirkung im eigentlichen Sinn, nämlich dass die Erstbehörde im Sinn der vom LVwG geäußerten Rechtsansicht entscheiden muss, gibt es nur im konkreten Anlassfall, wenn das LVwG ausnahmsweise den Bescheid der Erstbehörde aufhebt und zurückverweist - § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG. Eine darüber hinaus gehende, allgemeine Bindung an Erkenntnisse der Landesverwaltungsgerichte besteht nicht. Die Landesverwaltungsgerichte haben bei ihren Entscheidungen die Judikatur des VwGH zu beachten (ebenfalls ohne allgemeine Bindung - siehe unten), bei Unklarheiten ist die Revision an den VwGH möglich. Soll heißen: die Entwicklung einer "eigenen" Judikatur der Landesverwaltungsgerichte ist eigentlich nicht möglich. Freilich kommt den veröffentlichten Entscheidungen eine gewisse Präzedenzwirkung zu.

Außerhalb des jeweiligen Anlassfalles existiert zwar auch keine förmliche Bindung an Entscheidungen des VwGH (vgl. § 63 VwGG). Wenn es aber zu einer Rechtsfrage eine (gesicherte) Judikatur des VwGH gibt, wird auch ohne gesetzlich angeordnete Bindung keine Erstbehörde und kein LVwG den Fall anders entscheiden, zumal das unvertretbare Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung eines Höchstgerichtes Amtshaftungsansprüche begründen kann.

Ergebnis zur Frage, ob man unter Hinweis auf ein Erkenntnis eines LVwG eine analoge Beurteilung in einem anderen, möglicherweise vergleichbaren Fall verlangen kann: nein, kann man nicht.

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burggraben
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Re: Präzedenzfälle bei Erkenntnissen von Landesverwaltungsgerichten

Beitrag von burggraben » Mo 11. Sep 2017, 04:27

Danke für die ausführliche und kompetente Antwort Martin. Ein relevantes LVwG Erkenntnis ist also in keinem Fall bindend aber womöglich eine Rechtsauslegungshilfe für die BHs, wobei man aber wiederum komplett auf die Auslegungsweise der BH angewiesen ist.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch dass ja anscheinend sogar die niedrigeren LVwG Rechtssätze veröffentlichen können. zB hier
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Lvw ... _R4_01.pdf

Nach einem oder mehreren Urteilen dass Polizisten den WP ohne Berschränkungsvermerk bekommen, hat das LVwG Vorarlberg dazu einen eigenen Rechtssatz veröffentlicht. Diese Rechtssätze sind ja von grundsätzlicherer Bedeutung wenn ich das als Laie richtig verstanden habe. Vermutlich aber genausowenig bindend?

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