Leonardo hat geschrieben:Hugh Thompson Jr."
Seid ihr bei Troste? (Sorry für die direkte Ausdrucksweise)
Ja!
An dich mal, stellvertretend für alle, die sich ebenso betroffen fühlen können, danke, daß du/ihr mir meine "seid ihr bei Troste" Bemerkung nicht übel nahmt. Es werden sicher Meinungsverschiedenheiten stehen bleiben und ich hoffe, damit können wir leben!
![Wink ;-)](./images/smilies/icon/wink.gif)
Zur Sache nochmals:
In meinen davorliegenden posts in diesem thread wir wohl (hoffentlich) klar, dass ich massive Kritik an der EU habe. Ich kann auch alle verstehen, die eine Nostalgie nach einem Raab'schen oder Gorbach'schen oder Kreisky'schen Österreich haben. Aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Die Voraussetzungen sind völlig andere, als 1960 oder 1970. Ich finde, es geht darum, aus der Situation das Beste zu machen.
Zweiter Punkt:
Eine alte Grundregel für mich ist, dass falsche Ursachenzuschreibung nur zu falschen Lösungen führen kann. Und die EU ist nicht Alleinursache für das Debakel. Da wären unter anderem:
- Das US-Kapital antwortete Ende der 1970er auf die alternativen gesellschaftlichen Tendenzen mit einem massiven Gegenschlag, der den Boden für den Wirtschaftsneoliberalismus aufbereitete.
- Exakt zum Zeitpunkt, als die Propaganda und das politische Lobbying dafür am stärksten war, zerbröselte der Realsozialismus. Das bedeutete, daß das Pendel plötzlich massivst in die Gegenrichtung ausschlug (= Gier / Spekulationsexzesse), da schlagartig der Gegenpol weggefallen war.
- Die technologische Entwicklung in Kombination mit den Interessen der Großkonzerne schuf eine massive Globalisierung.
Daß wir uns hier im Forum unterhalten, ist ebenso ein Teilaspekt der Vernetzungstechnologie und Globalisierung, wie die massiven weltweiten Finanzströme. Wer A sagt, muß auch B sagen...
By the way: Es wäre für mich nicht der Weltuntergang, wenn wir uns nicht mehr über ein Internet austauschen könnten, sondern uns zum privaten "Stammtisch" oder auf dem Schießplatz treffen würden...
Und die EU ist ebenso ein Teilaspekt dieser Globalisierung, aber nicht ihrer Ursache.
Dazu kommt (Ich weiß, dass ich mich in dem Punkt wiederhole) das Faktum, dass "die EU" unser aller nationalen Politiker sind.
Großbritannien z.Bsp. wurde nicht durch die EU devastiert, sondern zu zwei Drittel von Margaret Thatcher und zu einem Drittel während der letzten 10 Jahre durch Blair und Brown - den Rest erledigte die Globalisierung. Ebensowenig ist die EU an dem Migrantenanteil in Ö verantwortlich. Wer hat denn zwischen 1965 und 1975 extra Anwerbebüros in der Türkei eingerichtet? Kleiner Tip: zuerst Klaus (ÖVP), dann Kreisky (SPÖ). Beide als brave Handlanger des IV, dem klar war, daß eine hoher Migrantenanteil die Löhne ins Bodenlose drücken läßt.
Aus all den Gründen bringt ein Zerfall der EU zwar mit Sicherheit ein gewaltiges Gewitter, aber kein klärendes!
M16_ hat geschrieben:Eine lockere Zollunion wie anno 1995 als wir zur Wahl befragt wurden, würde absolut ausreichen.
Falsch! Das verkennt völlig die wirtschaftliche globale Vernetzung. Deshalb, weil wir keine Zölle einheben und keine zu bezahlen brauchen, kehrt die zerschlagene Industrie noch lange nicht wie von Geisterhand retour! Und wegen einer Rückkehr zu einer bloßen Zollunion wird auch General Dynamics Simmering noch lange nicht zu Steyr.
Entschuldigt den Vergleich (Im Sinne von: "Nicht alle was hinkt,..."), aber mir drängt sich bei einem Wunsch nach Zerschlagen der EU das Bild einer verfaulten BAWAG unter Elsner auf und als Lösung, die BAWAG in 20 Teilbanken zu zerstückeln und Elsner und seinen Gefolgsleuten die Führung zu belassen.
Eine Klärung (Im Sinne von Leonardos "klärendes Gewitter") kann nicht durch Zerschlagen der EU kommen, sondern nur durch Austausch der Führungsschicht, die uns das Desaster einbrockte. Und das bedeutet prompt: "Austausch der nationalen Führungsschichten", denn die stecken im Rat zusammen. Wer hat uns denn das alles eingebrockt, wenn nicht Schüssel, Faymann, Schröder, Merkel, Berlusconi, und, und, und...?
Zu Zukunftserwartungen:
Zwischen "eine Möglichkeit als wahrscheinlich erachten" und "eine Möglichkeit begrüßen" liegen ja haushohe Unterschiede. Und für mich gilt, dass ein (durchaus mögliches) Zerbrechen der EU extrem ängstigend ist. Das beginnt mit Osteuropa. Eine Rückkehr zu irgendeinem linken Gedankengut (verständlicherweise!) ist undenkbar, gleichzeitig eine Krise der EU für die Osteuropäer ein Schock, so kurz nach Ende der SU. Daher bringt das dort übelstes Gebräu hervor. (Die Pfeilkreuzler in Ungarn geben einen guten Vorgeschmack.)
Und eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Ex-EU-Staaten? Vielleicht behaltet ihr recht und der Weg ist ohnehin vorgezeichnet und nichts mehr daran zu ändern. Aber ich freue mich mit Sicherheit nicht darauf und hielte das für sehr zynisch angesichts der hunderten Millionen Toten des 2. WK.
Unsere ureigenste österreichische Geschichte bietet den besten Lehrstoff dazu. Es zerfiel ja bereits mal ein multinationaler Bund 1918/1919. Nämlich die österreich-ungarische k&k Monarchie. Wie endete das? 1.) Erster (österreichischer) Faschismus und Bürgerkrieg. 2.) Zweiter (deutscher) Faschismus und 2. WK.
Und genau das meinte ich mit "der Zerfall der EU brächte nur Eines: Blut und Tränen!"
Aber das bedeutet nicht, dass ich für ein "Weiterwurschteln" wäre. Aber meine Wunschlösungen sind andere. Z.Bsp. eine radikale Demokratisierung der EU (z.Bsp. mit gewählter Regierung). Und eine aus-dem-Amt-prügeln der derzeitigen Führungsschicht. Und ein radikaler Bruch mit den Doktrinen der vergangenen zwei Jahrzehnte. (Nein, Börsenkurse haben nicht die größte Bedeutung und es gibt keinen Grund, sie in jeder Nachrichtensendung einzublenden!)