Flying Dog hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 10:29
Manches geht schlichtweg nicht in 7-10 Minuten - insbesondere wenn man verständlich erklären und
vorführen will.
So ist es. Allerdings sehe ich in
Flying Dog hat geschrieben: ↑Do 2. Feb 2023, 10:29
… Marker im Video - am besten mit den entsprechenden Angaben in der Beschreibung.
keine echte Lösung der Aufgabenstellung: Wenn jemand ein Thema nicht so durchdrungen hat, dass er es interessiertem Publikum nicht attraktiv und kurzweilig präsentieren kann, sollte er schlicht auf die Präsentation im audio-visuellen Medium verzichten.
Der Schlüssel dazu heißt "Kontext". Wer klassische Dramaturgie studiert hat, kennt seinen 4-Akt Aufbau und davon ist der erste das "Setting", die Darstellung des Kontexts, in dem (später) das Problem auftritt, dass dann (noch später) einer Lösung zugeführt wird. Das Strickmuster ist bekannt, aber die meisten Youtuber steigen unvermittelt in den 4. Akt ein und lösen ein Problem, von dem das Publikum noch nicht einmal wusste, dass es das überhaupt hat. Wer mit so einem Film abstürzt, sollte ein bisserl lesen, wie man erfolgreiche Dokumentarfilme produziert.
Reißen wir eine YT Produktion auf: 8 Minuten sind nach meinem Stand das Erfordernis, das ergibt vier Akte zu je 120 Sekunden.
Akt 1 erklärt, wer mitspielt, wie der so "tickt", warum man ihn liebhaben muss, wo die Parallelen mit der eigenen Existenz liegen.
Akt 2 zeigt, dass nicht alles Sonnenschein ist und sich finstere Gewitterstürme über dem Proponenten auftürmen
Akt 3 dreht das Problem üblicherweise auf eine unvorhersehbare vertiefte Aufgabenstellung
Akt 4 beantwortet alle Fragen und entlässt das Publikum im Hochgefühl: "Alles gut, ich schaffe das."
Die Kunst ist, den Proponenten in den ersten 120 Sekunden mit Tiefe und Facetten darzustellen -- plant man eine Serie, kann das irgendwann kürzer werden, aber der Kontext, in dem die später gelöste Aufgabe auftritt, muss in den ersten 120 Sekunden glasklar auf dem Tisch sein.
Sehen wir uns das von der technischen Seite an:
Mensch ist es gewohnt, alle paar Sekunden seinen Blick zu wechseln. Das Fernsehformat zwingt das Auge starr auf eine kleine Fläche, auf der sich jederzeit etwas ändern kann und das man nicht versäumen darf, um am Laufenden zu bleiben.
Enttäuscht man diese Erwartungshaltung, wird dem Publikum langweilig. Die Abhilfe lautet: Zeige, statt darüber zu reden.
Und beim Zeigen gilt: Ändere im Schnitt alle vier Sekunden Einstellgröße und Blickwinkel, um dem Auge Abwechslung zu bieten.
Wenn wir im Schnitt 4 Sekunden pro Einstellung haben, so sind das pro Akt 30 Einstellungen, 120 insgesamt für einen Film von 8 Minuten. Das ist nicht esoterisch, das sind erforschte Größen, ab wann das Publikum umschaltet. Jüngeres Publikum schaltet früher um, älteres später -- man muss also auch die Einstellungs- und Szenenfolge in Hinblick auf die intendierte Zuseherschaft abstimmen.
Das ist das Handwerk. Wenn man nun Sprungmarken einbaut, so schlägt der Betrachter dort ohne Kontext auf. Entsprechend sorgfältig muss man diese "Zielräume" gestalten, um Verwirrung zu vermeiden und ein Minimum an Kontext zu liefern. Klassisch wäre -> eine visuelle Einleitung mit einer interessanten (großen) Einstellung, die etwas zeigt, das man so vielleicht noch nicht gesehen hat. Als Voice Over "Wie wir gesehen haben, kommt es bei diesem <Thema> auf <was auch immer> an." Schnitt und ab in die nächste Präsentation.
Wer seine urlangweiligen "meine Hände befummeln zehn Minuten in einer subjektiven Einstellung ein schlecht beleuchtetes Objekt" - Sprechtexte mit einer Sprungmarke auf einen weiteren Abschnitt der Langeweile retten will, hat das Thema Film/Video einfach nicht verstanden. Da wäre ein Podcast das Mittel der Wahl, dann aber bitte mit Stimmtraining und Sprechtechnik, einem hervorragenden Mikrofon in einer geeigneten Aufnahmeumgebung.
Wobei es eine weitere Regel gibt, die kaum jemand außerhalb des professionellen Tuns kennt:
Das Auge führt uns in die Welt hinaus, das Ohr bringt die Welt in uns herein.
Man "leiht der Stimme ein Ohr", kein Auge, und man betrachtet sich die Sache. Auf eine a/v Produktion umgelegt sollte das Bild immer zeigen, "was es gibt, worüber man sprechen muss" und der Dialog (auch Monolog wird als Dialog in diesem Kontext bezeichnet) geht auf das ein, was zu sehen ist. Die Sinn stiftende Synchronizität zwischen Text und Bewegtbild ist jedenfalls erforderlich. Das Schlimmste sind Ansagen wie "…wir wir später noch sehen werden …" oder "… wie wir gesehen haben …" (-> Siehe meine Anmerkung zur Sprungmarke). Wenn man einen Zuseher voll in die Geschichte gezogen hat, darf man ihn nicht wieder rausreißen und zu Überlegungen ("Was habe ich da eigentlich gesehen? ah, ja, genau - äh, was hat der jetzt gesagt?") zwingen.