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Manurhin MR 73

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Helmal
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Manurhin MR 73

Beitrag von Helmal » Sa 14. Nov 2015, 21:52

Die Franzosen können ja Einiges. Auch wenn es heißt, „Essen wie Gott in Frankreich“, muss sich die österreichische Küche nun wirklich nicht verstecken: Dicke Saucen, kräftige Weine. Das können wir auch. Und Autos bauen, ich liebe meine 2CV6. Aber auch das können wir, sagen wir mal. Und beim Fußball schaut’s auch nicht so übel aus, momentan, wieder einmal. Die Franzosen haben gleichermaßen Talent wie auch Bedürfnis, ihre Kultur und ihren Lebensstil in die ganze Welt zu exportieren. Dafür gibt es sogar ein eigenes Ministerium, das Ministère de la Culture et de la Communication, ein Selbstverständnis, das unsereins fehlt, ist – um nochmal auf das Essen zurück zu kommen – das Wiener Schnitzel doch ohnehin bereits in den hintersten Ecken Südostasiens wie auch am Franz-Josef-Land bekannt. Was die Franzosen aber wirklich können und was kaum einer weiß, wahrscheinlich nicht einmal besagtes Kulturministerium: Revolver bauen. Auch das können wir, aber das ist ein anderes Kapitel.

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Antiquierte Drehpistolen und geschichtliches Erbe

Revolver sind ziemlich außer Mode, wenn es um die berufsmäßige Verwendung geht, in Sportschützenkreisen erfreuen sie sich indes weiterhin großer Beliebtheit. Der Befund, dass eine wirklich präzise Selbstladepistole oftmals ein Vielfaches eines mittelpreisigen Revolvers kostet, ist weiterhin durchaus vertretbar. So ist ein verhältnismäßig preiswert zu bekommender S&W 686 mit etwas Abstimmung und Überarbeitung zumeist auf eine sehr respektable Schussleistung zu bringen. Bei Manurhin versteht man den Begriff der Gießkanne indes recht streng und so darf ein MR 73 die Fabrikhalle in Mülhausen nur verlassen, wenn er unter 20mm „streut“, mit 'ausgewählter Munition' freilich. Das klingt für einen Revolver, der eigentlich konzeptionell nicht als Sportwaffe entwickelt wurde sehr wenig und deshalb gut. Und Es fühlt sich auch so an.

Die Manufacture de Machines du Haut-Rhin, kurz Manurhin, hat in ihrer bewegten Unternehmensgeschichte schon vieles produziert. So liefen von den Fertigungsbändern in Mülhausen etwa Motorroller bis hin zu ganzen Produktionsanlagen für klein- und mittelkalibrige Munition. Walther ließ während der „Prohibition“ nach dem Zweiten Weltkrieg die berühmte PP und deren Derivate von Manurhin fertigen und darauf ist man im gar nicht so kleinen Städtchen im Elsass auch ein bisschen stolz. Angeblich „schoss“ sogar James Bond in Wahrheit nicht Walther sondern Manurhin und damit ist nicht die Luftpistole gemeint. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Ein Kind seiner Zeit

Zu Beginn der 1970er-Jahre musste sich Frankreich einer immer stärker werdenden Kriminalität vergegenwärtigen, die für ihr Waffenarsenal aus dem Vollen schöpfen konnte, bediente sie sich doch der Überbleibsel beider Konfliktparteien des großen Krieges. Der haute pègre wusste nun Mal was gut, verhältnismäßig einfach zu beschaffen und in seiner Wirkung gleichermaßen abschreckend wirkte, wie es auch effizient war. Die Sicherheitskräfte waren hoffnungslos unterbewaffnet, eine Situation, der sich Jahre später auch das FBI bewusst wurde und die in den Vereinigten Staaten in der Einführung der 10mm Auto mündete.
Zusammen mit der Verwendung von Revolvern im Großkalibersportschießen schwappte auch mehr und mehr die Popularität der für ihre „Stoppwirkung“ (no real such thing in handguns...) berühmten .357 Magnum mit über den großen Teich.

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Das Interesse bei den französischen Sicherheitskräften war, nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen in den Vereinigten Staaten, groß und man bediente sich vorab der von Smith & Wesson zugelieferten Modelle 19. Im Jahr 1973 wurde schließlich das Unternehmen Manurhin vom offizieller Stelle mit der Entwicklung eines eigenen Revolvers beauftragt. Dem Lastenheft – so eine vielfach berichtete Tatsache – war zu entnehmen, dass die neue Waffe derart widerstandsfähig sein sollte, dass eine tägliche Dosis von 150 heißen Magnumladungen keine nennenswerte Abnutzung bewirken sollte.

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Klingt viel. Ist es auch, wie selbst Nutzer eines alten N-Rahmens wissen. Aber ich zweifle vorerst nicht, in Anbetracht dieses Rahmens.

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Anders als bei den Magnumrevolvern von Smith & Wesson sind die Kammern nicht angesenkt („recessed“). Scheppern tut hier dennoch nichts.

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Der Sportschütze als Haupt-Zielgruppe

Bald waren auch Sportschützen an der Waffe interessiert. Neben, vor allem für den polizeilichen oder jagdlichen Gebrauch gedachten kurzen Lauflängen, bietet Manurhin auch die klassischen 6 und 8zölligen Rohre, wie auch die besonders ästhetische 5 ¼ - Version an. So gut die Qualität der früheren Fertigungen auch war, wie bei den meisten anderen Herstellern hat sie im Laufe der Zeit nachgelassen. Die später von Chapuis gefertigten MR 73 waren zwar noch immer hervorragende Revolver. Mit einem Korth konnten sie aber nicht mehr mit, doch muss das sein?

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In einem MR 73 stecken viele Stunden Handarbeit. Die Toleranzen sind eng, die Passungen entsprechend sehr gut, die Brünierung in Natura fast atemberaubend. Da kann kein Python aus den Fünfzigern mit, Bilder können das nicht einfangen, schon gar nicht meine Anfängerfotos.

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Die an Messing erinnernde Farbe der Pins entsteht übrigens durch den Härtungsprozess. Das Einpassen geschieht von Hand.

Der praktischere Korth

In einem aber ist der MR 73 besser als der Korth: Er ist praktisch und für die Ewigkeit gebaut. Der Double Action-Abzug ist unglaublich „smooth“, kein Kratzen, kein Kriechen, einfach nichts. Sowohl Single als auch Double Action sind durch außenliegende Schrauben getrennt einstellbar, ohne die Zündsicherheit zu beeinträchtigen. Das Visierbild ist vorbildlich und erinnert mich an meinen Korth. Und an meine P210.

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Nun muss sich dieses hervorragend gepflegte Exemplar die kommenden Jahre noch beweisen. Schauen wir einmal, was er am Stand kann. Wohl mehr als ich, aber das stand auch nie zur Debatte.

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Aur revoir
Philipp


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Der Schmu war ein äußerst liebenswertes Wesen. Er legte Eier, gab Milch und wurde geradezu ekstatisch, wenn man ihn hungrig ansah.

WillyDIXON
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Re: Manurhin MR 73

Beitrag von WillyDIXON » Mi 23. Dez 2015, 12:08

Danke für diese ausführliche Beschreibung und die Bilder !
Habe diesen "Exoten" schon länger im Auge, konnte aber nicht allzuviel Informationen darüber finden.
Daher ist mir Ihr Bericht sehr gelegen gekommen. Ich habe es genossen. Danke...und viel Spaß damit.
GOOOD SHOOOTING !!!
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Re: Manurhin MR 73

Beitrag von McMonkey » Mo 15. Feb 2016, 14:53

Sehr, sehr interessant :!:

Bravo :clap:
Was man nicht tut, geschieht auch nicht.

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Dobi
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Re: Manurhin MR 73

Beitrag von Dobi » Mo 4. Mär 2019, 18:54

Ich hab zwar keine MR 73, sondern "nur" eine gebrauchte MR 88 in .38 special mit 3-Zoll-Lauf, bin aber absolut begeistert davon!
Hab grad den original Trausch-Gummi-Griff gegen einen Hogue-Gummigriff getauscht, da ich keine Riesenhände hab und der Griff von Hogue daher für mich etwas besser in der Hand liegt.
Ich hab zwar keine direkten Vergleich, aber finde den Abzug auch bei Double-Action sehr angenehm und in Single-Action natürlich sowieso.
Steyr L9-A1, Manurhin MR 88 .38 Sp. & Ruger Mark IV 22/45 Lite
Anfänger & Mitglied im Verein, Verein & LSVNOE, PDSV & Verein.
Ich glaube keine Verschwörungstheorien!
Die werden alle von einer geheimen Regierungsbehörde in Umlauf gebracht …

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Re: Manurhin MR 73

Beitrag von doc steel » Di 5. Mär 2019, 10:54

Was der Helmal immer für schöne Sachen hat!
Cool geschrieben nebenbei. Top!

Alaskan454
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Re: Manurhin MR 73

Beitrag von Alaskan454 » Fr 22. Mär 2019, 20:41

Wunderschönes Revolverchen, Respekt.

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