Re: Collet Neck Sizer
Verfasst: Di 7. Feb 2012, 22:37
Ist zwar schon eine Menge zum Thema gesagt worde, aber ich hätte auch noch ein wenig Senf dazuzugeben.
Ich habe zwei von den Collet-Neck-Sizern, einmal in .30-06 und einmal in .222 Remington.
Letztlich überzeugen mich die nicht so hundert Prozent, weil die, zumindest von mir "gefühlt", einen Nachteil gegenüber "herkömmlichen" Necksizern haben. Andererseits kann man damit Sachen machen, die mit anderen Necksizern nicht gehen, was ein Vorteil ist.
Erstmal zu "was macht das Teil": In "normalen" Necksizern wird die Hülse ganz ähnlich wie in einem Vollkalibrierer in einer Negativform auf "Soll-Maß" zurückgequescht - mit dem Unterschied, daß beim Vollkalibrierer weitgehend die ganze Hülse dran ist, während bei Necksizern nur der Hülsenhals bis zum (oder knapp vor den) Beginn der Schulter in die Negativform gequetscht wird (und der untere Teil der Matrize so weit gehalten ist, daß die Hülse dort so grade eben nicht zurückgeformt wird). Es gibt allerdings noch Ausnahmen wie einige Necksizer von Hornady, die für mehrere Patronen mit gleichem Geschoßdurchmesser gehen, bei denen ist deutlich mehr Luft unterhalb des Halses.
In dem Collet-Neck-Sizer sieht die Sache etwas anders aus: Dort wird Hals nicht in eine "Negativform" reingequetscht, sondern die Ausstoßerstange für's Zündhütchen ist im oberen Teil quasi eine "Positivform" mit Kaliberdurchmesser, und der Hülsenhals wird von außen durch eine Art Spannzangen beim Hochpressen gegen den Ausstoßer gedrückt.
Der gepriesene Hauptvorteil soll sein (und es ist wohl auch so), daß der Hülsenhals im Vergleich zu allen anderen Necksizern von den Maßen her signifkant gleichmäßiger gerät, was der Präzision zugute kommen soll.
Zweiter Vorteil ist, daß du mehr oder weniger stufenlos einstellen kannst, wie fest der Hülsenhals das Geschoß hinterher hält. Je mehr die Spannzangen den Hülsenhals gegen den kalibergroßen Teil der Ausstoßerstange drücken, desto fester der Geschoßsitz und desto höher der Ausziehwiderstand des Geschosses beim Schuß. Manche Wiederlader nutzen das, um damit "zu spielen", d.h. ein präzisionsförderndes Optimum zu finden, so wie man es bspw. auch mit der Setztiefe macht.
Soweit die Theorie. In den ganzen Videos zu dem Thema sieht das auch super aus, aber in der Praxis ist es dann doch nicht ganz so super.
Das Problem ist: Den Anpreßdruck der Spannzangen (und damit in Folge den Ausziehwiderstand des Geschosses) steuert man dadurch, wie weit die Matrize in die Presse eingeschraubt wird. Bei zuwenig Tiefe bleibt der Hülsenhals fast unberührt, und man kann das Geschoß ohne größere Kraft mit den Fingern in die Hülse drücken. Bei viel Tiefe kriegt man einen mordsfesten Geschoßsitz (und bei ein bissl mehr wahrscheinlich eine kaputte Hülse und/oder kaputte Matrize). Der Haken ist folgender: Der Bereich, der zwischen "Geschoß sitzt zu locker" und "Geschoß sitzt so fest, daß ich garnicht beuteilen kann, wie fest es sitzt" ist extrem klein, vielleicht ein Achtel Matrizen-Umdrehung und noch weniger, und verhält sich auch nicht linear. Erst passiert garnix, und plötzlich isses zuviel.
Noch schwieriger wird das, wenn man dann irgendwann noch ein Los herstellen will, und die Matrize dann wieder wirklich _allerexaktestens_ auf dieselbe ehemalige Tiefe muß (wie gesagt, es geht um Bruchteile von Umdrehungen und der Vorgang ist nicht linear). Das ist, jedenfalls nach meinem subjektiven Empfinden, quasi nicht reproduzierbar. Erst recht nicht mit den eigenartigen Lee-Gummiring-Ringen ohne Fixierung (wobei man ja auch gescheite Ringe nehmen kann). Im Ergebnis hat man also über die Lose hinweg keine Einheitlichkeit, was für mich schwerer wiegt, als die über alle Lose hinweg gleichbleibende "größere Unwucht" der Hülsenhälse bei der Verwendung "klassischer" Necksizer (die ja wirklich nur marginal ist). Eventuell mache ich ja irgendeinen Fehler in der Handhabung, aber so ist jedenfalls meine subjektive Erfahrung. Andere Schützen mögen andere Erfahrungen haben.
Von daher habe ich die Teile bei mir dann in den Ruhestand verabschiedet, und benutze für die .30-06 einen stinknormalen RCBS-Necksizer, und für die .222 einen Multinecksizer von Hornady. Funktionieren beide hervorragend, und einmal eingestellt gibt's keine Fummelei mehr.
Einen Einsatzzweck für den Collet-Necksizer gibt's allerdings noch, den sonst kein Necksizer kann: Man kann sich Dummy-Patronen (ohne ZH und Pulver) mit absichtlich sehr lockerem Geschoßsitz herstellen - dann setzt man das Geschoß extrem weit raus, und lädt die Patrone im geplanten Gewehr ins Patronenlager. Bei Schließen des Verschlusses wird das Geschoss dann (weil es sehr locker sitzt), sobald es an den Zügen ankommt, in den Hülsenhals gedrückt. Holt man die Patrone dann raus, so kann man genau feststellen, wie weit das Geschoß draußen sitzen kann, bis es an den Zügen ist. Sollte man mit mehreren Testpatronen hintereinander machen, um Meßfehler zu minimieren. Manche Wiederlader vertreten ja die These, daß man die Geschosse bis ganz knapp vor (oder sogar in) die Züge setzen sollte, was mitunter wohl die Präzision erhöht. Mit dem Collet-Neck-Sizer kann man sich auf einfache Weise also ein gutes Meßwerkzeug schaffen, um für die jeweilige Waffe exakt rauszufinden, wie weit denn "Maximum-L6" ist.
Hierbei aber unbedingt Obacht: Der Gasdruck steigt wohl bombastisch an, wenn die Geschosse direkt an oder in den Zügen sitzen, das Pulver kriegt direkt ordentlich was zu tun, weil es sofort das Geschoß in die Züge pressen muß, und sich nicht erst "nur" mit dem Ausziehen aus dem Hülsenhals abmühen muß und dabei Raum gewinnt und das Ganze dabei schon Druck verliert. Ich würde da keine großartigen Experimente machen. Es gibt aber wohl Leute, die in der Hinsicht ziemlich schmerzfrei sind und/oder sehr genau wissen, was sie tun.
Ich habe zwei von den Collet-Neck-Sizern, einmal in .30-06 und einmal in .222 Remington.
Letztlich überzeugen mich die nicht so hundert Prozent, weil die, zumindest von mir "gefühlt", einen Nachteil gegenüber "herkömmlichen" Necksizern haben. Andererseits kann man damit Sachen machen, die mit anderen Necksizern nicht gehen, was ein Vorteil ist.
Erstmal zu "was macht das Teil": In "normalen" Necksizern wird die Hülse ganz ähnlich wie in einem Vollkalibrierer in einer Negativform auf "Soll-Maß" zurückgequescht - mit dem Unterschied, daß beim Vollkalibrierer weitgehend die ganze Hülse dran ist, während bei Necksizern nur der Hülsenhals bis zum (oder knapp vor den) Beginn der Schulter in die Negativform gequetscht wird (und der untere Teil der Matrize so weit gehalten ist, daß die Hülse dort so grade eben nicht zurückgeformt wird). Es gibt allerdings noch Ausnahmen wie einige Necksizer von Hornady, die für mehrere Patronen mit gleichem Geschoßdurchmesser gehen, bei denen ist deutlich mehr Luft unterhalb des Halses.
In dem Collet-Neck-Sizer sieht die Sache etwas anders aus: Dort wird Hals nicht in eine "Negativform" reingequetscht, sondern die Ausstoßerstange für's Zündhütchen ist im oberen Teil quasi eine "Positivform" mit Kaliberdurchmesser, und der Hülsenhals wird von außen durch eine Art Spannzangen beim Hochpressen gegen den Ausstoßer gedrückt.
Der gepriesene Hauptvorteil soll sein (und es ist wohl auch so), daß der Hülsenhals im Vergleich zu allen anderen Necksizern von den Maßen her signifkant gleichmäßiger gerät, was der Präzision zugute kommen soll.
Zweiter Vorteil ist, daß du mehr oder weniger stufenlos einstellen kannst, wie fest der Hülsenhals das Geschoß hinterher hält. Je mehr die Spannzangen den Hülsenhals gegen den kalibergroßen Teil der Ausstoßerstange drücken, desto fester der Geschoßsitz und desto höher der Ausziehwiderstand des Geschosses beim Schuß. Manche Wiederlader nutzen das, um damit "zu spielen", d.h. ein präzisionsförderndes Optimum zu finden, so wie man es bspw. auch mit der Setztiefe macht.
Soweit die Theorie. In den ganzen Videos zu dem Thema sieht das auch super aus, aber in der Praxis ist es dann doch nicht ganz so super.
Das Problem ist: Den Anpreßdruck der Spannzangen (und damit in Folge den Ausziehwiderstand des Geschosses) steuert man dadurch, wie weit die Matrize in die Presse eingeschraubt wird. Bei zuwenig Tiefe bleibt der Hülsenhals fast unberührt, und man kann das Geschoß ohne größere Kraft mit den Fingern in die Hülse drücken. Bei viel Tiefe kriegt man einen mordsfesten Geschoßsitz (und bei ein bissl mehr wahrscheinlich eine kaputte Hülse und/oder kaputte Matrize). Der Haken ist folgender: Der Bereich, der zwischen "Geschoß sitzt zu locker" und "Geschoß sitzt so fest, daß ich garnicht beuteilen kann, wie fest es sitzt" ist extrem klein, vielleicht ein Achtel Matrizen-Umdrehung und noch weniger, und verhält sich auch nicht linear. Erst passiert garnix, und plötzlich isses zuviel.
Noch schwieriger wird das, wenn man dann irgendwann noch ein Los herstellen will, und die Matrize dann wieder wirklich _allerexaktestens_ auf dieselbe ehemalige Tiefe muß (wie gesagt, es geht um Bruchteile von Umdrehungen und der Vorgang ist nicht linear). Das ist, jedenfalls nach meinem subjektiven Empfinden, quasi nicht reproduzierbar. Erst recht nicht mit den eigenartigen Lee-Gummiring-Ringen ohne Fixierung (wobei man ja auch gescheite Ringe nehmen kann). Im Ergebnis hat man also über die Lose hinweg keine Einheitlichkeit, was für mich schwerer wiegt, als die über alle Lose hinweg gleichbleibende "größere Unwucht" der Hülsenhälse bei der Verwendung "klassischer" Necksizer (die ja wirklich nur marginal ist). Eventuell mache ich ja irgendeinen Fehler in der Handhabung, aber so ist jedenfalls meine subjektive Erfahrung. Andere Schützen mögen andere Erfahrungen haben.
Von daher habe ich die Teile bei mir dann in den Ruhestand verabschiedet, und benutze für die .30-06 einen stinknormalen RCBS-Necksizer, und für die .222 einen Multinecksizer von Hornady. Funktionieren beide hervorragend, und einmal eingestellt gibt's keine Fummelei mehr.
Einen Einsatzzweck für den Collet-Necksizer gibt's allerdings noch, den sonst kein Necksizer kann: Man kann sich Dummy-Patronen (ohne ZH und Pulver) mit absichtlich sehr lockerem Geschoßsitz herstellen - dann setzt man das Geschoß extrem weit raus, und lädt die Patrone im geplanten Gewehr ins Patronenlager. Bei Schließen des Verschlusses wird das Geschoss dann (weil es sehr locker sitzt), sobald es an den Zügen ankommt, in den Hülsenhals gedrückt. Holt man die Patrone dann raus, so kann man genau feststellen, wie weit das Geschoß draußen sitzen kann, bis es an den Zügen ist. Sollte man mit mehreren Testpatronen hintereinander machen, um Meßfehler zu minimieren. Manche Wiederlader vertreten ja die These, daß man die Geschosse bis ganz knapp vor (oder sogar in) die Züge setzen sollte, was mitunter wohl die Präzision erhöht. Mit dem Collet-Neck-Sizer kann man sich auf einfache Weise also ein gutes Meßwerkzeug schaffen, um für die jeweilige Waffe exakt rauszufinden, wie weit denn "Maximum-L6" ist.
Hierbei aber unbedingt Obacht: Der Gasdruck steigt wohl bombastisch an, wenn die Geschosse direkt an oder in den Zügen sitzen, das Pulver kriegt direkt ordentlich was zu tun, weil es sofort das Geschoß in die Züge pressen muß, und sich nicht erst "nur" mit dem Ausziehen aus dem Hülsenhals abmühen muß und dabei Raum gewinnt und das Ganze dabei schon Druck verliert. Ich würde da keine großartigen Experimente machen. Es gibt aber wohl Leute, die in der Hinsicht ziemlich schmerzfrei sind und/oder sehr genau wissen, was sie tun.