Hallo Karl,
zum Rückstoß:
Ich sag's mal etwas provokant, ohne es bös zu meinen: Wenn dir eine .30-06 mit 10 Gramm Fabrik-Bionic mit ca. 900 m/s V0 zuviel Rückstoß macht, dann mußt du entweder mehr schießen gehen und/oder ein Zielfernrohr mit größerem Augenabstand und/oder eine schwerere Waffe und/oder eine softere Schaftkappe haben
Aber der Wunsch nach "weniger" Rückstoß paßt auch so garnicht zu deinem Wunsch nach offensiverem Pulver. Weil: Rückstoß ist den Fachleuten zufolge ein relativ komplexes Phänomen, das nicht eindimensional "mehr oder weniger" ist. Im Prinzip ist es grob vereinfacht ungefähr "wieviel und wie schnell".
Zwei Beispiele dazu:
Beispiel 1: Ich hatte mal aus meinem K31 zwei Patronen vergleichsgeschossen: Originale Schweizer GP11-Mun und Norma-Jagdmun. Interessantes Phänomen: GP11-Geschoß war langsamer UND leichter als das Norma-Geschoß - also sollte man meinen, daß das Norma erheblich mehr in der Schulter rumpeln sollte. Fakt war: Gefühlt rumpelt das GP11 ERHEBLICH mehr als das Norma (ungefähr "schlägt" gegen "schiebt"). Wie kommt? Ich habe einen Bekannten gefragt, der sich professionell mit solchen Sachen auseinandersetzt. Der sagte: Das GP11 hätte absichtlich eine solche Rückstoßcharakteristik, weil das nämlich auch aus Maschinengewehren, die als Rückstoßlader konzipiert sind, prima funktionieren soll. Entriegelt den Verschluß wohl besser, wenn's mehr schlägt als schiebt oder so was ähnliches. Ob das jetzt wirklich stimmt, müßte man die Entwickler fragen, aber plausibel klingt's.
Beispiel 2: Für meine M03 in .30-06 hatte ich testweise mal Fabrik-RWS HMK mit 11,7 Gramm bei 840 m/s V0 gekauft. Rumpelt für die .30-06 ganz ordentlich. Dann habe ich mir für dasselbe Gewehr mal, mit gedachtem Zweck Drückjagd, eine Laborierung mit 14,3 Gramm Geschoß gebaut (die übrigens hervorragend schießt). Ich hatte die Erwartung, das würde Wunders wie treten. Tut's aber garnicht - ist nämlich, weil es so schwer ist, mit einem relativ _progressiven_ Pulver geladen. Gefühlt schiebt es einen eher nachdrücklich, aber nicht unangenehm, nach hinten als daß es fies tritt.
Heißt also, zumindest meiner laienhaften Meinung nach: Bei sonst gleichen Bedingungen ist das offensive Pulver eher "es tritt nach mir", und das progressive Pulver eher "schiebt mich nach hinten".
Zu dem Mündungsfeuer:
1) Meine (bescheidene) jagdliche Erfahrung:
Klar, wenn du in den kurzen Lauf viel N160 reinschüttest, hast du ggf. vorne einen wunderbaren Feuerball leuchten. Sieht geil aus, stört aber nachts auf Sauen. Zumindest theoretisch. Ich hatte auch so gedacht. In der Praxis ist es, zumindest bei mir, ohne daß ich den Anspruch auf absolute Wahrheiten erhebe, aber so: Vor dem Schuß siehst du prima, dann kommt der Feuerball, und du siehst kurz erstmal nix mehr. Aber: Wenn du jetzt nicht grade mit Bremse schießt, hebt es dir die Waffe eh aus der Sichtlinie. Und es gibt dann ungefähr fünf Möglichkeiten, was mit der Sau in der Zeit ist:
a) Du hast top getroffen und die Sau liegt. In aller Regel sind die anderen Sauen dann weg von der Bühne oder in zügiger Bewegung (wobei ich auch schon mal den Fall hatte, daß die Kumpels blöd stehen blieben und man weiter schießen konnte. Es war allerdings bei Vollmond und Schnee so hell, daß der Feuerball egal war).
b) Du hast top getroffen, die Sau liegt aber nicht, sondern ist Vollgas unterwegs bis zum Kollaps. Sollte man dann unbedingt nachschießen wollen, ist die entweder sehr flott unterwegs, und sehr schwer zu treffen, oder ist im Gehölz neben der Kirrung verschwunden oder liegt bereits tot auf der Plaine, bis du wieder drauf bist. Die anderen Sauen: Siehe a).
c) Du hast, warum auch immer, liderlich getroffen und die Sau geht Vollgas ab: Die Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer beim Nachschießen ist dann nur bei Profis so, daß es eine realistische Chance auf Treffer gibt (oder wenn Fortuna dich grade bei der Hand faßt). Die anderen Sauen: Siehe a), wobei du dann bei anstehender Nachsuche eh nicht noch eine zweite riskieren solltest.
d) Du hast liderlich getroffen und die arme Sau schleppt sich irgendwie am Anschuß rum. Dann sollte die Zeit hinreichend sein, daß dein Auge sich zumindest für einen Fangschuß nach dem Feuerball wieder hinreichend adaptiert hat. Da müßte mal jemand was zu sagen, der Erfahrung dahingehend hat. Restliche Sauen: Siehe c).
e) Du hast garnicht getroffen: Trefferwahrscheinlichkeit auf flüchtende Sau gering und alles andere als waidgerecht.
2) Wünschenswertes Optimum:
Natürlich wäre es besser, keinen Feuerball zu haben. Wenn man nun etwas Geld in die Hand nehmen möchte und bereit ist, seiner Waffe ein etwas bizarres Aussehen zu geben, läßt sich das Problem lösen. Man kann jetzt zum Möller Lutz stehen wie man möchte, aber der hat das Problem wohl ziemlich gut gelöst, googel mal nach der "möller dunkle Kraft". Dann tut es wohl auch nicht mehr soviel zur Sache, ob du nu offensives oder progressives Pulver nimmst.
3) Präzision vs. Feuerball:
Wie ich oben schon mal geschrieben habe, ist wohl das wichtigste Kriterium Präzision. Deine Laborierung kann noch so eine gestreckte Flugbahn und noch so geringes Mündungsfeuer haben: Wenn es nicht gescheit schießt, nützt dir das nix. Übertrieben gesagt: Was nützt es dir, wenn du, dank fehlendem Feuerball, den mangels Präzision krankgeschossenen Fuchs ins Brombeerdickicht abgehen siehst? Oder andersrum: Was kümmert mich der Feuerball, wenn ich die top getroffene Sau erst 5 Sekunden später liegen sehe? Einziger Vorteil wäre evtl., daß, wenn du echt schnell vom ZF auf's nackte Auge oder ans DF kommst, du bei größeren Sichtstrecken im Wald oder am Feld noch sehen könntest, in welche Richtung die Sau ggf. abgeht. Auf blankem weitem Feld isses Wurscht, bei engen Kirrungen auch.
Man züchtet Jagdlabos ja nicht explizit auf große Feuerbälle. Aber als Zielsetzung ein minimiertes Mündungsfeuer unter Inkaufnahme geringerer Präzision zu basteln, ist nicht so der Bringer.
Ich würde einfach den Feuerball (sofern du nicht "Wünschenswertes Optimum" anstrebst) ebenso wie die sich ergebende V0 als hinzunehmendes Nebenergebnis der präzisesten Laborierung betrachten.
Und mal ganz praktisch: Meine Jagdladung mit dem Jaguar und N140 macht aus dem 54 cm Lauf gar keinen Feuerball. Hat sich halt zufällig so ergeben, daß die präziseste Ladung das Pulver komplett abbrennt und auch nix großartig nachflammt.
Umgekehrt habe ich eine .30-06-Ladung, mit extrem leichtem Geschoß, die ich nur zum Üben und Feuerformen nehme, bei der die präziseste Ladung einen riesigen Feuerball und Mordsknall macht. Die braucht irgendwie mehr Pulver als im Lauf verbrennt, um gut zu schießen. Klingt komisch, ist aber so. Das Ding hat allerdings zwei riesen Vorteile: Erstens schießt es auf 100 exakt auf denselben Fleck wie meine Jagdladung und zweitens ist der Knall so laut, daß man sich immer flapsige Sprüche und komische Gesichter auf dem Stand anhören/angucken kann.