Ich möchte euch meine Winchester Model 1873 Short Rifle vorstellen.
Die aktuellen Unerhebelrepetierer von Winchester werden in Japan bei Miroku gebaut. In amerikanischen Foren oft als "Japchester" belächelt, ist die Verarbeitungsqualität herausragend und besser als bei jeder je in New Haven gebauten Winchester.
Das Short Rifle unterscheidet sich vom Carbine durch eine halbmondförmige Schaftkappe und einer Abschlusskappe anstelle des Bandes am Vorderschaft. Das Magazinrohr ist mit einem Schwalbenschwanz mit dem Lauf verbunden, beim Carbine ist es ebenfalls ein Band.
Hier neben meiner Henry Big Boy.

Die Brünierung ist am ganzen Gewehr absolut makellos, das geölte Holz sauber eingepasst, der Vorderschaft hat allerdings minimal Spiel. Bisher hat es mich nicht gestört, es sollte aber bei Bedarf schnell behoben sein. Trotzdem müsste das bei dem Preis und der übrigen Verarbeitung eigentlich nicht sein. Das ist aber der einzige Mangel, den ich trotz intensiver Begutachtung finden konnte. Ich hatte selten so ein makkelloses Gewehr in Händen.



Die Visierung besteht aus einem Buckhorn-Visier mit Treppchen. Es rastet sauber ein und verstellt sich nicht durch den Rückstoß wie manchmal bei den Rossis. Gewinde für ein Diopter sind am Schaftrücken bereits vorgebohrt.

Der Unterhebel kann wie beim Original zum Transport arretiert werden, man sollte jedoch nicht vergessen, dass dadurch die Abzugssicherung deaktiviert wird. Eine nachgerüstete manuelle Sicherung wie beim aktuellen Model 1892 gibt es hier zum Glück nicht.

Die erwähnte Abzugssicherung gibt den Abszugsbügel erst frei, wenn der Repetierhebel anliegt. Das verhindert ein Zünden der Patrone, bevor der Verschluss verriegelt ist. Durch Ausbau dieser Sicherung kam es bei CAS-Bewerben gelegentlich zu Zündungen, bevor der Kniehebel über dem Totpunkt war, was zu einem verbogenen Repetierhebel und im schlimmsten Fall zu Hand-/Fingerverletzungen führen kann.



Der Staubschuzdeckel kann manuell geschlossen werden, öffnet beim ersten Repetieren automatisch und bleibt dann offen. Auch dieses Feature ist originalgetreu und wurde beim Model 1873 eingeführt, nachdem das Model 1866 oben noch offen war.

Der Zuführer aus Messing ist im Gegensatz zum Original leicht asymetrisch angeschliffen, damit die leeren Hülsen nach rechts zur Seite ausgeworfen werden. Das funktioniert ausgezeichnet.

Bei der Schlagbolzenverlängerung wurde eine zusätzliche Sicherung eingebaut, die es beim Original nicht gab. Diese soll verhindern, dass durch zu heftiges Repetieren eine Patrone durch Massenträgheit des Schlagbolzen gezündet werden kann, indem eine kleine Verriegelungwarze, die aus der Verlängerung steht (auf dem Foto sichtbar), in eine Ausnehmung im Gehäuse greift. Wenn der Hammer auf den herausstehenden Stift am Ende der Verlängerung trifft, klappt die Verrieglungswarze über einen Hebelmechanismus ein und gibt den Schlagbolzen frei. Wie zuverlässig das auf Dauer ist wird sich zeigen, es gibt allerdings bereits Verlängerungen ohne die Sicherung im Zubehörmarkt.

Das Kaliber ist wie beim Original auf der Unterseite des Zuführers eingeschlagen. Ich habe mich aus praktischen und Kostengründen für .357/.38 entschieden.

Durch Abnehmen der Seitenplatten gibt man den Kniehebelmechanismus frei. Die Teile sind CNC-gefräst und absolut spielfrei eingepasst. Wichtig ist dabei, dass die Teile formschlüssig aneinander anliegen und der Bolzen nur als Drehpunk dient. Der schwarze Finger bewegt den Messingzubringer nach oben und unten, die beiden silbernen Blattfedern arretieren diesen in der jeweils oberen und unteren Position.
Im Internet kursiert das Gerücht, dass dieser Verschluss das Kaliber .357 auf Dauer nicht aushalten wird und frühzeitig verschleißt, weil das Original von 1873 ausschließlich für schwächere Schwarzpulverpatronen ausgelegt war.
Ich habe mich tagelang damit befasst, es wurde viel mit Drücken und Schubkräften herumgerechnet und spekuliert, ich habe jedoch keinen einzigen sachlich belegten Bericht oder gar Fotos von verschlissenen Kniegelenken gesehen und auch ein deutscher Büchsenmacher der sich mit Westernwaffen beschäftigt, konnte mir bestätigen, dass es zwar anfangs Brüche bei einigen Ubertis gab, seit 10 Jahren jedoch keine Probleme mehr in Kombination mit .357 Magnum aufgetreten sind und Uberti mittlerweile ein Model 1873 im Kaliber .44 Magnum anbietet.
Somit bin ich zum Schluss gekommen, dass man Gussteile aus Eisen (bis 1884) nicht mit modernen Stählen vergleichen kann und die Verriegelungsfläche bei der Henry im selben Kaliber sogar noch kleiner ist. Wenn hier Verschleiß auftritt, dann meiner Meinung nach eher durch Reibung der Gelenke bei zu wenig Schmierung.

Preislich bewegt sich die Winchester im Bereich 1500,-€ und kostet somit das Doppelte einer Rossi. Letztere funktionieren meistens auch sehr gut, allerdings ist die Verarbeitung oft recht schaurig. Meiner Meinung nach sind beide Gewehre ihr Geld wert oder wie die Amis sagen würden "you get what you pay for".
Ich kann dieses Gewehr somit uneingeschränkt empfehlen, allerdings haben Unterhebelrepetierer die Eigenschaft, dass sie sich auf Dauer vermehren.
